Aktuell erleben wir eine Dekade, in der technologische Fortschritte die Grenzen des Möglichen immer weiter und immer schneller verschieben. Nun hat die FDP kürzlich ein ambitioniertes wie interessantes Thema vorgestellt: In den nächsten 15 Jahren sollen 20 Prozent aller Züge der Deutschen Bahn ohne Lokführer fahren. Dies wäre ein Schritt, der das Potential hat, den Zugverkehr grundlegend zu verändern, die Effizienz zu steigern und der Umwelt zu nutzen. Doch wie realistisch ist dieses Ziel?

Was der Zugverkehr vom Flugverkehr lernen kann 

Zunächst einmal ist festzustellen, dass der Zugverkehr im Vergleich zum Autoverkehr ein teilweise offenes System darstellt. Während der Straßenverkehr durch eine Vielzahl von Teilnehmern mit teils chaotischem Verhalten gekennzeichnet ist, sind die Abläufe im Schienenverkehr bereits stark reguliert und standardisiert. Diese Struktur bietet damit eine solide Grundlage für die Implementierung von KI-Steuerungssystemen. Ähnlichkeiten finden sich im Luftverkehr, wo Piloten die Systeme überwachen und von Fluglotsen unterstützt werden. Moderne Flugzeuge sind bereits in der Lage, fast autonom zu starten und zu landen. Ein vergleichbarer Ansatz könnte auch für den Zugverkehr adaptiert werden: Lokführer würden zu Systemüberwachern, während KI-Systeme die eigentliche Steuerung des Fahrzeugs übernehmen. Hier lässt sich grundsätzlich eine Menge aus den Entwicklungen im Flugverkehr lernen. 

Die finanziellen und technologischen Herausforderungen von KI-Zügen 

Für die Realisierung eines solchen Szenarios ist dann eine umfassende Dateninfrastruktur unerlässlich. So müssen Datenkontrollpunkte eingerichtet werden, die in regelmäßigen Abständen die Position der Züge verifizieren und sowohl dem Führerstand der Lok als auch den Kontrollzentren Informationen zur Verfügung stellen. Diese technologische Aufrüstung erfordert erhebliche Investitionen in die Bahninfrastruktur, einschließlich der Fahrzeuge selbst und des Schienennetzes. Die Finanzierung dieser Innovationen stellt eine Herausforderung dar, insbesondere angesichts der finanziellen Engpässe, mit denen die Deutsche Bahn konfrontiert ist. Die Diskussion um KI-gesteuerte Züge wirft aber auch die Frage auf, wie die Sicherheit und Zuverlässigkeit dieser Technologien gewährleistet werden kann. Die Überwachung und Steuerung durch KI hat natürlich das Potenzial, menschliche Fehler zu minimieren und die Effizienz des Zugbetriebs zu steigern. Gleichzeitig müssen jedoch auch umfangreiche Tests und Sicherheitsprotokolle entwickelt werden, um sicherzustellen, dass diese Systeme unter allen Umständen zuverlässig funktionieren. 

Von U-Bahnen zu landesweiten Netzen 

Die Technologie für fahrerlose Züge existiert bereits in geschlossenen Systemen, wie U-Bahnen oder bei Flughafentransfers. Die Herausforderung liegt darin, diese Technologie auf das teil-geöffnete Netz der Deutschen Bahn zu übertragen, ein Unterfangen, das durchaus machbar erscheint. Die Bahnindustrie steht vor einer langfristigen Aufgabe, deren Planungs- und Umsetzungszeiträume Jahrzehnte umfassen. Doch der potenzielle Nutzen – für die Umwelt, die Wirtschaft und die Gesellschaft – ist enorm. Die Rolle der Politik und der Regulierungsbehörden wird in diesem Kontext entscheidend sein, um den Übergang zu einem KI-gesteuerten Bahnverkehr zu ermöglichen. Gesetzliche Rahmenbedingungen müssen angepasst und Standards für die Sicherheit und Interoperabilität von autonomen Zügen festgelegt werden. Die FDP hat mit ihrer Forderung nach einem Anteil von 20 Prozent automatisierten Zügen innerhalb der nächsten 15 Jahre eine wichtige Debatte angestoßen. Es ist nun an den politischen Entscheidungsträgern, die Weichen für die Zukunft zu stellen und die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. 

Autonome Züge als Chance, nicht als Bedrohung für Lokführer 

Gleichzeitig sollte immer betont werden, dass die Einführung autonomer Züge nicht zwangsläufig zur Ersetzung von Lokführern führen muss. Angesichts des Fachkräftemangels in der Branche könnten die durch KI-Systeme freigesetzten Kapazitäten dazu beitragen, bestehende Lücken zu schließen, anstatt Arbeitsplätze zu eliminieren. Die Deutsche Bahn und andere Bahnunternehmen sollten diese Gelegenheit nutzen, um ihre Dienstleistungen effizienter und nachhaltiger zu gestalten, ohne dabei die Beschäftigung zu gefährden. 

Fazit 

Unserer Einschätzung nach könnten die ersten Schritte zur Automatisierung des Bahnverkehrs bis etwa 2028 realisiert werden, mit der Möglichkeit, bestimmte Hauptstrecken bis 2035 vollautomatisch zu betreiben. Diese Zeitrahmen zeigen, dass die Vision der FDP keineswegs utopisch ist, sondern eine realistische Perspektive darstellen könnte. Es sind jedoch erhebliche Anstrengungen in Bezug auf Investitionen, Forschung und Entwicklung sowie die Anpassung rechtlicher Rahmenbedingungen erforderlich. Die potenziellen Vorteile – verbesserte Effizienz, höhere Sicherheit und geringere Umweltbelastung – machen es zu einem lohnenden Unterfangen. Der Weg dorthin wird von technologischen Innovationen, politischem Willen und gesellschaftlicher Akzeptanz abhängen. Der Zugverkehr steht somit an der Schwelle zu einer neuen Ära, in der KI eine zentrale Rolle spielen könnte. Die nächsten Jahre werden zeigen, wie weit Deutschland bereit ist, auf diesem Weg voranzuschreiten und eine führende Rolle in der Entwicklung des Transports der Zukunft zu übernehmen. 

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Über den Autor

Mathias Herrmann

CEO bei ALLEHERZEN

Mathias Herrmann ist Internetunternehmer der ersten Stunde mit einem tiefen Interesse für digitale und Zukunftstechnologien. Seit über 20 Jahren hilft er Unternehmen dabei, mit innovativen Lösungen das Beste aus Ihren Daten zu machen – ohne dabei die Menschen hinter den Daten zu vergessen.

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